
Carlo Maratti (1625-1713)
Die Zeichenschule, um 1682,
Federzeichnung, 40,2 x 31 cm,
Chatsworth, Duke of Devonshire
|
Die Federzeichnung
Marattis diente als Vorentwurf zum heute verlorenen "Kunsttheoretischen
Thesenblatt". Der Sammler und Mäzen Marchese del
Carpio, Gesandte des spanischen Königs am päpstlichen
Hof, hatte mehrere römische Maler um eine Zeichnung zum
Thema "Malerei" gebeten.
Die dargestellte Szene dokumentiert Marattis rege Auseinandersetzung
mit diesem Sujet.
Auf engem Platz haben sich einzelne Gruppen zur Diskussion
und zum Studium über die Malerei versammelt. In der Mitte
das Raumes betrachten drei Kunstliebhaber mit großem
Interesse eine Bildtafel, auf welcher die Prinzipien der Perspektive
und Optik skizziert wurden. Ein bärtiger Mann deutet
zur Erklärung mit ausgestreckten Armen auf die gezeichneten
Kontstruktionen - es handelt sich hier wohl um den Künstler
selbst. Unter der Leinwand ist der Spruch "TANTO CHE
BASTI" ("So viel wie nötig") zu lesen.
Diesselbe Aussage steht vor dem rechts im Vordergrund vor
einer Tafel knieenden Mann, der sich mit einem Zirkel in der
Hand einer geometrischen Aufgabe widmet und auf dem Sockel
eines Muskelmannes, der anatomischen Studien diente. Sie ist
als Hinweis zu verstehen, perspektivischen und geometrischen
und anatomischen Studien soviel Zeit wie nötig, aber
auch nicht mehr, zu widmen.
Diese und weitere Inschriften bilden ein zentrales Thema dieser
Federzeichung, sie zeugen von Marattis kunsttheoretischem
Ansatz. So thronen über der Leinwand auf einer Wolke
die drei Grazien, versehen mit dem Hinweis: "SENZA DI
NOI OGNI FATICA E VANA" ("Ohne uns ist jede Mühe
hinfällig"). Sie blicken auf das Schaffen der Künstler
herab. Im Hintergrund gruppieren sich drei antike Statuen:
Apoll, Venus und der Herkules Farnese. "MAI A BASTANZA"
verkündet die Inschrift oberhalb der Apoll-Statue - "Niemals
genug" - und verweist damit auf die essentielle Bedeutung
des Antikenstudiums.
Basierend auf den verschiedenen Forderungen der Inschriften,
die das rechte Maß der theoretischen Studien, der anmutigen
und graziösen Gestaltung der Figuren und der Orientierung
an der Antike fordern, entwarf Maratti in seiner "Zeichenschule"
ein Idealbild der akademischen Ausbildung der Maler.
|