|
 |
Das klassische Bild
Das 18. Jahrhundert galt den Zeitgenossen zunehmend als Verfallszeit
der Historienmalerei, denn sie hatte ihren Rang eingebüßt,
den sie unter der von 1643 bis 1715 währenden Regierungszeit
König Ludwigs XIV. inne hatte. Im grand siècle
des Sonnenkönigs diente die Historienmalerei der Propagierung
der absoluten Stellung des Königs im Staate. Selbst wenn
der König nicht selbst dargestellt war, war jegliches
heldisches Handeln auf ihn beziehbar.
Unter der Herrschaft Ludwigs wurde 1648 die Académie
royale de peinture et de sculpture gegründet, die
in den 1660er und 1670er Jahren eine feste Doktrin der Malerei
ausformuliert hat. Diese galt in erster Linie der vornehmsten
Gattung, der Historie. Porträt, Genre, Landschaft und
Stilleben galten als weniger bedeutende Bildgattungen, die
keinen intellektuellen Disput erforderten. Als Vorbilder galten
den Akademikern die Italiener Raffael, Tizian und Veronese,
von den Franzosen selbst wurde Nicolas Poussin (1594-
|
1665) am meisten geschätzt. Dieser in Rom lebende
peintre philosophe gilt als der Vordenker der
Doktrin, die vom Sekretär der Akademie, André
Félibien (1619-1695) formuliert und von Charles
Le Brun (1619-1690) (Bild)
für die Bedürfnisse des Königs in Versailles
umgesetzt wurde. Ein weiterer Vertreter war Pierre Mignard
(1612-1695) (Bild).
Der Theorie zufolge ist das klassische Bild durch eine
gesetzmäßig faßbare, rationale Ordnung
gekennzeichnet, die die schrittweise Erschließung
des Sinnes der dargestellten Handlung ermöglicht.
Darstellungskriterien sind Angemessenheit (convenance),
Schicklichkeit (bienséance) und Wahrscheinlichkeit
(vraisemblance). Letztere verlangt die aristotelische
Einheit von Zeit, Ort und Handlung. Inhaltliches Zentrum
des Bildes ist der Held oder eine Hauptgruppe in demonstrativer
Gestik und denkwürdiger Handlung. Das Bildzentrum
gibt allem sonst Erscheinenden Existenzberechtigung
und Sinn. Poussins Vorbildlichkeit für die französische
Akademie ist gerade darin zu sehen, daß er in
seinen Bildern zeigte, wie der rationale Nachvollzug
auch der komplexesten Bezüge anschaulich zu gewährleisten
ist. Kompositionsmittel sind ein pyramidaler Bildaufbau
sowie die Mittelstellung und Heraushebung der Hauptfigur
durch die Lichtführung.
|
|