1. Der Salon des Ancien Régime
2. Die Pariser Salons zwischen 1791-1880
2.1 Der Salon als staatliche Institution
2.2 Die Zunahme von Salonkünstlerschaft und Publikum
2.3 Die Künstler und die Jury
2.4 Die Bedeutung des Salon für die Künstler
3. Das Ende des Salons
Der Pariser Salon

1. Der Salon des Ancien Régime

  Der Begriff des "Salon" geht auf die Académie Royale und die seit dem Jahr 1663 in Paris periodisch stattfindenden Kunstausstellungen zurück, die per Gesetz im gleichem Jahr als Institution geschaffen wurden. Diese Kunstausstellungen hatten wechselnde Statuten; über die Zulassung der einzelnen Werke entschied eine Jury, die zeitweise mit der Académie des Beaux-Arts identisch war und deren Urteil häufig, vor allem im 19. Jh., Anlass zu öffentlichen Kontroversen bot. Mit diesem Gesetz veränderte sich der französische Kunstmarkt in entscheidender Weise. Bis dahin hatten Künstler ihre Kunden im wesentlichen im Atelier empfangen und vor allem Wünsche von Auftraggebern realisiert . Es gab darüber hinaus zwar private Kunsthändler, doch wurde diesem privaten Vertriebssystem, das von den Gilden seit dem Mittelalter streng reglementiert war, mit der Gründung der nun staatlich öffentlichen Bilder- und Verkaufsschau eine entscheidende Veränderung aufgezwungen. Damit verbunden leitete es eine Veränderung der Rolle des Künstlers ein: aus einer reinen Auftragsabhängigkeit heraus wurde er zum selbstbewussten Schöpfer eigener Werke. Allerdings blieb der Salon zunächst eine rein elitäre Veranstaltung. Zugelassen waren lediglich Akademiemitglieder, die Zahl der Aussteller begrenzte sich so in den ersten Jahrzehnten auf weniger als hundert Künstler. Dazu kam, dass die Reaktion der Künstlerschaft auf diese neue Darstellungsmöglichkeit ihres Könnens äußerst verhalten war. Mangels Teilnahme mussten häufig Jahresausstellungen ausfallen und erst am Ende des 17. Jh. entwickelte diese staatliche Institution einen nachhaltigen Erfolg. Ausschlaggebend dafür war der Umzug der Ausstellung 1699 in den Louvre (ab 1737 in den Grand Salon Carrée - daher der Begriff "Salon"), ein sicher sehr bemerkenswertes Ereignis. Der französische König Ludwig XIV. hatte damit seinen Palast der Öffentlichkeit für die Dauer der Ausstellung geöffnet, was einer außerordentlichen gesellschaftlichen Aufwertung entsprach. Auf der anderen Seite gab es ein wachsendes Publikumsinteresse, das diese öffentlichen Ausstellungen auf sich zog. Das steigende Interesse, vor allem aber auch die große Zahl kaufwilliger bürgerlicher Kunstliebhaber ließ den staatlichen Salon rasch zum wichtigsten künstlerischen Ereignis des Jahres werden. Gleichzeitig damit wuchs die Schar von Kunstbeobachtern und -kritikern, was dazu führte, dass sich die Kunstkritik als eigenständiges journalistisches Berufsfeld etablieren konnte.

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2. Die Pariser Salons zwischen 1791-1880

  Da der Salon bis zur Französischen Revolution eine rein elitäre Gruppenveranstaltung der Akademiekünstler war, konnte es nicht ausbleiben, dass auch hier die revolutionäre Zeitstimmung Änderungen erzwang. Den 150 Mitgliedern der "Académie Royale" standen 1789 etwa 800 Maler und Bildhauer gegenüber, die keinen Ausstellungszutritt hatten und vehement eine Änderung dieser Situation verlangten. Mit einem Dekret der Nationalversammlung im Jahr 1791, das diese Situation beendete, begann eine neue Ära der Salongeschichte. Der Salon wurde zu einem öffentlichen Salon erklärt, zu dem alle Franzosen, Akademisten und Nicht-Akademisten, wie auch Ausländer freien Zugang haben sollten. Sein offizieller Name lautete nun: "Le Salon de Peinture, Gravure, Sculpture et d'Architecture des Artistes Vivants". Der Anspruch des neuen staatlichen Salons, offen und repräsentativ für die gesamte Künstlerschaft Frankreichs zu sein, wurde in der Tat im 19. Jh. eingelöst. Er wurde zum renommierten Mittelpunkt des Pariser Kunstbetriebes und gewann eine unvergleichliche Bedeutung für den französischen Staat. Für die Künstlerschaft war eine professionelle Karriere ohne Salonteilnahme und -zulassung nicht mehr vorstellbar.
Parallel zu dieser steigenden öffentlichen Wertschätzung des Salons entwickelte sich die Malerei zu einer attraktiven Profession mit staatlich geregeltem Ausbildungsgang und überdurchschnittlichen Einkommenschancen. Den Salonmalern stand die Erreichung einer hohen sozialen Reputation offen. Die soziale Funktion des Salon ist in der Kunsthistorik nur selten ausreichend beachtet und ausgeleuchtet worden. Im Vordergrund stand vielmehr die ästhetische Auseinandersetzung mit den ausgestellten Werken. Dies hat in vielen Fällen zu einer ganzen Reihe von Verallgemeinerungen über den Salon und die Salonmalerschaft geführt, die einer genauen Situationsbetrachtung nicht standhalten. So wird z.B. oft der Salon als "Hochburg der Akademie" bezeichnet, deren "Jury-Diktatur" den Avantgarde-Malern den Zutritt zu den Ausstellungen verwehrt hat und die Salonmalerei wird als "schlecht" abqualifiziert. Im gleichen Zusammenhang werden die Werke der Romantik, des Realismus und Impressionismus - obwohl diese Stilrichtungen in den Salons vertreten waren - als eine Art "Anti-Salonkunst" interpretiert und oft als die eigentliche "Kunst des 19. Jahrhunderts" deklariert. In einer Quellenstudie über die Salons in der Zeit von 1791-1880 wurden in einer umfangreichen Untersuchung und Auswertung der Salonarchive, der Salonkataloge, zeitgenössischer Presseartikel und Publikationen sowie anderer Quellen eine Vielzahl von Aspekten der Saloninstitution untersucht, von denen einige kurz gestreift und vorgestellt werden sollen.

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2.1 Der Salon als staatliche Institution

  Für sämtliche Regierungen des Zeitraumes von 1791-1880 nahm der Salon einen hohen politischen Stellenwert ein. Im Gegensatz zu dem gestürzten Gottesgnadentum des Absolutismus stand die französische Republik, aber auch die folgenden Zeiten des Königs- und Kaisertums unter dem Zwang der politischen Legitimation. Damit bot der Salon eine ideale Plattform, z.B. systemstützende und glorifizierende Historien- oder Personendarstellungen in ihrer Bedeutung, z.B. mittels einer besonderen Plazierung und Prämierung aufzuwerten. Diese bevorzugten Plazierungen staatlich wichtig erscheinender Bilder fanden nicht nur in der Napoleonischen Zeit statt. Als sich der Salon später in die angrenzenden Räume des Louvre ausdehnte, galt es als ungeschriebenes Gesetz, dass der Salon Carrée für die wichtigen Staatsgemälde reserviert war. Diese Bevorzugung der staatstragenden Werke wurde durch eine gezielte Ankaufpolitik zusätzlich verstärkt.
Die offiziellen Institutionen sahen aber darüber hinaus in der Durchführung der Salons auch eine unterhaltende Bildungsmöglichkeit für weite Kreise der Bevölkerung, die aufgrund eines ziemlich verbreiteten Analphabetentums im 19. Jh. mit Bildern weit besser als mit Druckerzeugnissen erreichbar waren. Und nicht zuletzt stellte der Salon auch eine Kunstmesse dar, die ganz nüchtern als ein Gewerbezweig der französischen Wirtschaft betrachtet wurde.

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2.2 Die Zunahme von Salonkünstlerschaft und Publikum

  Mit den neuen Statuten des Salons nahm die Zahl der Salonkünstler sehr schnell zu. Nachdem am ersten freien Salon 1791 bereits 255 Künstler teilnahmen, was in etwa der dreifachen Zahl der bis dahin teilnehmenden Akademieaussteller entsprach, stieg diese Zahl bis auf über 5.000 im Jahr 1880 an. Dieser Zuwachs betraf besonders die Gruppe der Maler und es ist anzunehmen, dass diese Künstlergruppe auch generell innerhalb der Gesamtbevölkerung einen starken Zuwachs im 19. Jh. verzeichnete.
Die gleiche Entwicklung traf auch für die Besucherzahlen zu. Für das Jahr 1855 liegen exakte Zählungen vor, da hier im Rahmen der Weltausstellung erstmals Drehkreuze Verwendung fanden. Es wurden nahezu 900.000 Besucher gezählt und in den Folgejahren gab es Zahlen, die ungefähr bei einer halben Million Besuchern lagen. Das Ganze muss noch dazu in der Relation der Gesamtbevölkerung von Paris gesehen werden, die zu dieser Zeit lediglich etwas mehr als eineinhalb Millionen Einwohner betrug.
Der Salon scheint alljährlich ein bedeutendes gesellschaftliches Ereignis gewesen sein. Schon Monate vor der Eröffnung waren die Meldungen und Gerüchte über Künstler und den Salon das Tagesthema der Gazetten und des Gesellschaftsklatsches. Ganz Paris sprach über das Ereignis, die Schneider waren ausgebucht und in einer Zeit, die noch keine Massenmedien kannte, war das Dabeisein breiter Gesellschaftskreise ein offensichtliches Bedürfnis. Verursacht durch diese hohen Besucherzahlen musste schließlich eine räumliche Veränderung erfolgen. Der Salon übersiedelte im Jahr 1857 in den "Palais de l'Industrie".

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2.3 Die Künstler und die Jury

  Die am meisten umstrittene Institution der staatlichen Salons war ohne Frage die Aufnahmejury, die allein entschied, welche Werke zur Ausstellung zugelassen wurden. Unmittelbar nach 1791 galt für einige Jahre eine völlig freie Zulassungsordnung. Nachdem jedoch das Niveau der ausgestellten Werke - selbst nach Meinung der Künstlerschaft - dadurch absank, kam es zu der Forderung, eine entsprechende Aufnahme- und Zulassungsjury zu bilden. Diese Jury hatte wechselnde Formierungen, setzte sich aber insgesamt für den zu betrachtenden Zeitraum des 19. Jh. im wesentlichen aus Vertretern der staatlichen Kunstverwaltung, renommierten Künstlern und Akademiemitgliedern zusammen. Dieser Institution blieb natürlich der Dauerkonflikt nicht erspart: auf der einen Seite ein möglichst hohes künstlerisches Niveau zu erreichen und auf der anderen Seite eine für alle Künstler offen stehende Ausstellung zu gewährleisten.
Eine erste der Massnahmen bestand darin, nur drei Werke pro Künstler zuzulassen. Aufgrund der wachsenden Zahl der Bewerber - diese stieg in den Jahren um 1860 bis auf über 3.000 und um 1880 auf etwa 5.000 an - mussten jedoch notwendigerweise weitere Beschränkungen gelten. So wurde die Zahl der zugelassenen Künstler während des Salons 1860 auf etwa 2.000 und 1880 auf ungefähr 4.000 begrenzt. Proteste abgelehnter Bewerber waren in jedem Jahr ein beliebtes öffentliches Thema. Ein prominenter Protestierender des Jahres 1855 war Courbet, drei seiner 14 bei der Salonjury eingereichten Werke waren abgelehnt worden, zwei davon aus politischen Gründen. In dem Bild "L'Atelier" wurde eine Gesellschaftskritik vermutet; das "L'enterrement à Orsan" wurde als Kritik an der Kirche gewertet. Courbet erhielt jedoch die Genehmigung, seine gesamten Bilder in einem eigenen Pavillon in der Nähe der Weltausstellung zeigen. Diese gesonderte private Ausstellung war allerdings kein großer Publikumserfolg. Wohl mehr aus innenpolitischen Gründen, um der Kritik zu begegnen, als aus Kunstinteresse heraus entschied Napoleon III. 1863 kurzerhand, einen "Salon des Refuses" zu veranstalten. Obwohl von der Öffentlichkeit begrüßt, entschieden sich nur ein Drittel der abgelehnten Künstler - wohl aus Sorge, ihre Werke könnten in der Nähe dilettantischer Arbeiten zu sehen sein - zur Teilnahme. Insgesamt wurden 1.200 Werke von 425 Künstlern gezeigt. Die meisten der Künstler waren und sind auch heute noch unbekannt. Nur etwa 20 von ihnen, also ungefähr zwei Prozent, hatten bereits einen Namen. Unter ihnen waren neben Vertretern der "Avantgarde" wie Manet, Whistler, Fantin-Latour u.a., ebenfalls auch eine große Zahl von Akademiemalern, deren Werke nicht den Anforderungen genügt hatten. Es muss daher beachtet werden, dass immer nur die Werke, nicht jedoch der Künstler abgelehnt worden. Deshalb waren im "Salon des Refuses" auch Künstler vertreten, deren Werke im offiziellen Salon hingen, die jedoch auch Bilder eingereicht hatten, die von der Jury abgelehnt wurden waren. Das Urteil der öffentlichen Kritik über diese Ausstellung der abgewiesenen Werke war allerdings vernichtend, die Ausstellung wurde in der Presse als "Katastrophe" bezeichnet.

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2.4 Die Bedeutung des Salon für die Künstler

  Die Aufnahme ihrer Werke in den Salon war für die Künstler der damaligen Zeit im weitesten Sinn lebensentscheidend. Eine Teilnahme am Salon konnte die Existenz eines Malers sichern, seine Karriere am Kunstmarkt aufbauen oder beenden und deshalb galt sein Hauptinteresse der Aufnahme in den Salon. Die besten Werke wurden bereitgehalten, die Aufhängung war eine entscheidende Frage und kurz vor der Eröffnung wurde mit letztem Firnis Glanz auf die Gemälde gezaubert - daher auch der Begriff "Vernissage".
Die Karriere eines Salonmalers beinhaltete in der Regel drei Phasen: zunächst musste ein Maler bei der ersten Bewerbung mit einer Ablehnung rechnen - dies galt auch für die Elite der Salonmaler. Die Zulassung war in der Regel mit der zweiten oder dritten Bewerbung erreichbar. Das galt für etwa zwei Drittel aller Bewerber, einem Drittel blieb die Aufnahme versagt. Hatte man die Annahme seiner Werke erreicht, haben die meisten dieser Maler annähernd zehnmal im Salon ausgestellt. Einem kleinen Teil aus dieser Malergruppe - es war in etwa jeder Sechste - gelang es, eine der begehrten Auszeichnungen oder Medaillen zu erringen, was natürlich mit einer gesteigerten Reputation im Kunsthandel und hohen Verkaufspreisen einherging. Möglicherweise noch wichtiger: nahezu alle Ausgezeichneten konnten bereits in jungen Jahren Bilder an Museen verkaufen.
Staatliche Ankäufe bildeten für die Künstler einen der wichtigsten Erfolge, sie waren gleichrangig mit einer Auszeichnung zu sehen. Dabei wurden vom Staat nicht nur Historienbilder gekauft; Landschafts- und Genrmalerei findet sich ebenso in den staatlichen Ankaufslisten des 19. Jh.. Durch den Salon wurde kein bestimmter Kunststil zementiert. Waren es im 18. Jh. noch vorwiegend Maler im Stil des Rokoko, die den Salon mit ihren Werken füllten, so wechselte dies im Verlauf des 19. Jh. zu den Stilrichtungen des Klassizismus, der Romantik und des Realismus hin.
Keineswegs erfolglos waren im Salon ebenso die Maler der Moderne um 1865 oder des Impressionismus. Auch diejenigen unter ihnen, die anfangs im "Salon des Refuses" ausstellten, wie Manet, Whistler u.a., hatten bereits im Salon ausgestellt und teilweise sogar Auszeichnungen erhalten. Manet stellte z.B. 15mal im Salon aus und erhielt Auszeichnungen. Ähnliches gilt für Auguste Renoir. Er hatte sich 15mal beworben und wurde nur viermal abgelehnt. Edgar Degas bewarb sich sechsmal und wurde kein einziges Mal abgelehnt. Allein Paul Cézanne bildet eine Ausnahme, er wurde bei 15 Bewerbungen nur einmal zugelassen.
Dass einzelne Impressionisten in einigen Fällen länger auf die Erfolge im Salon warten mussten, dürfte an der nach zeitgenössischen Maßstäben mangelnden Qualität ihrer Bilder gelegen haben. Dies steht nicht zwangsläufig im Widerspruch zu einer heutigen Bewertung. Denn bei diesen einzelnen, damals vielfach abgelehnten, heute aber hoch anerkannten Künstlern, wie z.B. Cézanne, beurteilen wir mit unserer heutigen ästhetischen Sicht nicht so sehr eine damalige Qualitätsauffassung anders, sondern bewundern die stilverändernden Qualitäten dieser Kunstwerke, die sich als neue Kunstrichtungen durchsetzten. Der Qualitätsanspruch gegenüber den anderen konkurrierenden Malern war letztendlich jedoch der entscheidende Grund für den Erfolg einer damaligen Künstlerkarriere. Der größte Teil der auf Dauer abgelehnten Künstler ist deshalb auch bis heute unbekannt geblieben und taucht auf keiner "Thieme-Becker" - Seite auf.

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3. Das Ende des Salons

  In der zweiten Hälfte des 19. Jh. zog sich der Salon - nicht als Institution - aber als staatlich gelenkte Einrichtung immer mehr öffentliche Kritik zu. Der Kunsthandel forderte die Liberalisierung des Kunstmarktes und die Künstlerschaft eine Selbstverwaltung der Salons. Dies wurde 1880 entschieden, der Staat übergab den Salon an die französische Künstlerschaft, die unter der Bezeichnung "Le Salon de la Société des Artistes Français" bis heute alljährlich Kunstausstellungen veranstaltet, die in ihrer Bedeutung allerdings nicht mehr mit der Rolle des klassischen Salons verglichen werden können.

 

( Dieser Text bezieht sich auf folgende Publikation: Sfeir-Semler, Andree, Die Maler am Pariser Salon 1791-1880, Frankfurt/Main 1992 )

 

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