Wie in einem steinernen Musterbuch antiker Baukunst sind am Kolosseum die toskanische, die ionische und die korinthische Ordnung übereinander gestellt. Die gut erhaltenen Kapitelle der Halbsäulen und die verschiedenen Profile der Gebälke dokumentieren genau, wie die Einzelheiten der jeweiligen 'genera' gebildet werden.

Man sieht auch, daß die Anordnung bei der Kombination mehrerer Ordnungen nicht beliebig ist. Zum einen gilt das Prinzip der Superposition: die Säulen haben in genauer axialer Ausrichtung übereinander zu stehen. Zum anderen ist die Rangfolge der verschiedenen Ordnungen zu beachten: die korinthische Ordnung hat über der ionischen zu stehen, und diese über der toskanischen; eine Abweichung davon wäre ein schwerer Regelverstoß.

Exemplarisch ist das Kolosseum auch in der Verbindung von Säulenordnung und Bogenstellung. Die Ordnungen mit ihren Halbsäulen sind einer stämmigen Pfeilerarkatur vorgeblendet, wie es auch bei römischen Theaterbauten die Regel war. Das Motiv wird heute als Tabulariummotiv, manchmal auch als römischer Bogen oder als Theatermotiv bezeichnet. Von dieser Kombination, die wegweisend war für die neuzeitliche Baupraxis, war bei Vitruv noch nichts zu finden.