Einführung


In dieser Ausstellung geht es um den Wettstreit der Künste, vor allem den Wettstreit von Malerei und Skulptur - darum, welche der beiden Künste besser sei. Der findige Schiedsmann wird zunächst fragen, in welcher Disziplin der Wettstreit denn ausgetragen wird? Nach welcher Leistung sollen die bildenden Künste bemessen werden?
Sollen sie uns ein möglichst realistisches Abbild des Sichtbaren, der Menschen und Dinge, der biblischen und mythologischen Geschichten vor Augen führen?
Oder sollen sie den Sinn, der in den Dingen und der Welt steckt, die absolute Schönheit und Wahrheit vermitteln?

Heutzutage ist die Abbildung des Sichtbaren durch Fotographie und Film zunächst einmal eine rein technische Angelegenheit und keine künstlerische Leistung mehr. Den modernen Künstlern geht es in den seltensten Fällen noch um die möglichst objektive Wiedergabe des Gesehenen, sondern um eine Interpretation der visuellen Phänomene oder die Illustration von Konzepten durch künstlerische Arrangements.
Zu Beginn der Neuzeit aber war die realistische Bestandsaufnahme der sichtbaren Welt eine neue, spannende Herausforderung, da das Diesseits und seine optischen Phänomene im Mittelalter kaum eine Rolle spielten. Malerei und Skulptur wetteiferten darum, welche von beiden dieser Herausforderung am besten gerecht werden könnte.
Im Endeffekt folgten jedoch beide Künste einem Ziel: Sie wollten unter Beweis stellen, dass sie keineswegs rein handwerkliche Tätigkeiten waren, sondern intellektuelle Künste, die ein Konzept, eine Idee verfolgten und damit der Dichtkunst gleichwertig den Wissenschaften zuzuordnen sein. In der Ausstellung geht es um beides: die spezifischen Fähigkeiten sei es der Malerei, sei es der Skulptur, aber auch ihre gemeinsame Selbstdarstellung, bis hin zur Selbstdarstellung des einzelnen Künstlers. Während der Wettstreit der Künste relativ schnell seine Zündkraft verlor, da das gemeinsame Ziel allzu offensichtlich und für den Ausgangspunkt, die Idee oder das Konzept, in der Zeichnung eine einende Mutter gefunden wurde, ist die Stellung der Künste in der Gesellschaft noch heute etwas, worum sie kämpfen müssen. Zwar haben sie ihren intellektuellen Anspruch glaubhaft unter Beweis gestellt, doch in gewisser Hinsicht ist ihnen die Lösung vom Handwerk auch zum Verhängnis geworden: Die Handwerker benötigt man im täglichen Leben aus ganz praktischen Gründen dringend. Die Künste hingegen dienen, nachdem sie sich von ihrer abbildenden Funktion losgesagt haben, "nur" noch der geistigen Erbauung.